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Ökonomische Bildung und ökonomisches Wissen im Literaturunterricht? Perspektiven, Kritik und didaktisch-methodische Zugänge.

Ökonomische Bildung und ökonomisches Wissen im Literaturunterricht?

Perspektiven, Kritik und didaktisch-methodische Zugänge.

Interdisziplinäre Tagung an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
07.-09. Juni 2018
Raum D239

Im Zuge immer komplexer werdender ökonomischer Zusammenhänge erklärte die Kultusministerkonferenz bereits im Jahr 2001 ‚ökonomische Bildung‘ und im Jahr 2013 ‚Verbraucherbildung‘ zu einem wesentlichen Bestandteil des Bildungsauftrags allgemeinbildender Schulen.

Während z.B. in Rheinland-Pfalz für die Grundschule empfohlen wird, Thematiken wie Geld, Arbeit und Produktion im Sach- oder Mathematikunterricht anzusprechen, sollen in der Sekundarstufe I u.a. Bereiche wie Berufs- und Arbeitslehre, Geldanlage und Versicherungen, Tarifparteien, Konsum und soziale Ungleichheit vertieft behandelt werden.

Für die Sekundarstufe II werden u.a. die Thematisierung von Wirtschaftsordnungen und von Globalisierungsauswirkungen vorgeschlagen. Dabei wird von der Kultusministerkonferenz einerseits ein eigenständiges Schulfach ‚wirtschaftliche Bildung‘ empfohlen, andererseits wird zu einer Integration wirtschaftlicher Grundkenntnisse in andere Fächer aufgefordert. Als Anfang 2015 der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für die Etablierung eines eigenständigen Schulfaches eintrat, geschah dies mitten in einer durch einen Schülertweet angestoßenen Debatte über fehlende ökonomische Wissensvermittlung in der Schule, in deren Verlauf sich Bildungsministerin Johanna Wanka einerseits für größere Alltagstauglichkeit von Unterricht aussprach und andererseits betonte, dass es dennoch wichtig bleibe, „Gedichte zu lernen und zu interpretieren“ (Spiegel Online, 10.02.2015).

An dieser von verschiedenen Akteuren geführten Diskussion lassen sich bereits einige grundlegende Aspekte des aktuellen Bildungsdiskurses ablesen, die auf der einen Seite dem ökonomischen Diskurs entlehnt sind und vor der ‚Ressourcenverschwendung‘ für Schöngeistiges warnen. Auf der anderen Seite werden Stimmen laut, die – vor allem auch durch eine verstärkte Kompetenzorientierung im Schulunterricht – der Sorge vor der ‚feindlichen Übernahme‘ des Schöngeistigen und der humanistischen Bildung durch neoliberales Denken Ausdruck verleihen, die eine weitreichende „Merkantilisierung des Wissens“ (Lyotard: Das postmoderne Wissen. Wien 2012, S. 32) und eine Erziehung zu ‚homines oeconomici‘ befürchten (Vgl. Türcke in: Süddeutsche Zeitung, 09.07.2017 und FAZ Online, 11.07.2017). Neben der Tradierung klischeehafter Vorstellungen von Literatur lässt sich eine Festschreibung stereotyper Auffassungen über wirtschaftliche Zusammenhänge feststellen. Dies steht im Gegensatz zu Ansätzen des literatur- und kulturwissenschaftlichen Fachdiskurses, in dem die Poetizität der Ökonomie und das ökonomische Wissen der Literatur mithilfe transdisziplinärer, kontextualisierender Theorien spätestens seit den 1970ern im angelsächsischen Raum und seit den 1990er im deutschsprachigen Raum fruchtbar gemacht wurde (Vgl. u.a. Shell 1978; McCloskey 1982; Hörisch 1996; Woodmansee/Osteen 1999; Foucault 2012; Vogl 1999, 2002ff.).

Ein differenzierteres Bild zeigen auch die Lehrpläne Deutsch der Bundesländer, in denen fachübergreifender Unterricht im Sinne eines situativen, problemorientierten oder ganzheitlichen Lernens gefordert wird. An diese aktuellen Entwicklungen anknüpfend stellt sich die Frage, wie – im Sinne einer Vorbereitung auf kulturelle Teilhabe und eines Wissenstransfers von Wissenschaft in Gesellschaft/Schule – Unterrichtskonzeptionen auf diese gesellschaftliche Diskussion reagieren können. Da Literatur nicht nur ein zentraler Bestandteil von Kultur und des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft ist, sondern auch an ökonomischen Diskursen partizipiert, die sie kritisch begleitet oder mitgestaltet, kann Literaturunterricht – auch im Sinne von Bildung als Gemeinschaftsaufgabe – eine vermittelnde Rolle einnehmen. So sollen während der geplanten Konferenz u.a. folgende Fragen diskutiert werden: Wie kann der in der Debatte um ökonomische Bildung geäußerte Dualismus zwischen ‚Schöngeistigem‘ auf der einen und ‚nützlichem‘ Alltagswissen auf der anderen Seite überwunden werden? Welche Art von ökonomischer Bildung/ökonomischem Wissen können Literatur und Schule überhaupt wie vermitteln? Wie kann ‚literarisches Verstehen‘ zu ‚ökonomischem Verstehen‘ beitragen? Welche Anforderungen werden durch eine transdisziplinär ausgerichtete Didaktik an die Lehrkräfte gestellt und wie können diese erfüllt werden? Was bedeutet die Integration von ökonomischen Inhalten für die Struktur einzelner, vor allem ‚schöngeistiger‘ Schulfächer wie Literatur/Deutsch?

Neben einer Klärung grundlegender Fragen, wie der nach der Unterscheidung von ökonomischem Wissen und ökonomischer Bildung sowie deren Sichtbarmachung durch Fiktionen in Literatur und Film, werden auch neue didaktische Konzepte vorgestellt, die einerseits die Rolle von literarischen Texten als kritische Begleiter zivilisatorischer Prozesse (wie z.B. Globalisierung, Wirtschaftskrisen), andererseits aber auch das implizite ökonomische Wissen dieser Werke aufdecken und fruchtbar für fächerübergreifenden Unterricht machen.